Immer nur sich selbst auf den Schirm ?

Immer nur sich selbst auf dem Schirm?
Predigt zur Konfirmation 2017 in Heringen

Oh, Kinder, das ist ein so schöner Anblick, ich muss erst mal ein Foto machen.

Das glaubt mir ja keiner, in Heringen ist die Kirche immer voll... Foto und plong, es ist schon in unserer Gruppe...
Ich weiß, jetzt werden wieder einige sagen, der spinnt doch mit seinem Handy, der ist süchtig... und dieser ganze Kram, fazzebook und twitter, Whatsapp und Instagram. Aber es wäre ohne das ganze ja gar nicht alles möglich. Wir haben als Konfergruppe auch so eine Gemeinschaft im Netz, auch für die Absprachen ...
Ich finde, das alles ist eine Möglichkeit, in die Welt zu schauen, aus sich raus zu gehen, was zu erleben, was zu sehen, aber es ist auch gefährlich, wenn man sich darin verliert. Es ist ambivalent, zweischneidig, wie alle Sachen im Leben.

Konficastle in Oberbernhards: Wanderung als Workshop auf die Milseburg: war voll ausgebucht mit fast 20 Leuten, warum: weil es da oben Handyempfang gab. Beim Raufgehen haben dann auch alle auf ihr Handy geglotzt, so dass sich einige auf dem Hosenboden wiederfanden, es war extrem glatt. Also, es ist gefährlich.

Das einzige Problem, das ich mit diesem Bild hier habe ist: da bin ICH ja gar nicht drauf. Oh ist das doof...! Solche Bilder schau ich mir jetzt auch gar nicht mehr an, wenn ICH nicht drauf bin...

Ach ich hab ja nu immer was bei mir, das wirklich wichtig ist: mein Selfiestick. Hab ich mir von den Asiaten abgeguckt. Die machen ja keine Bilder mehr, wenn sie nicht selbst mehr drauf sind. Geht mir genauso, wenn ich selbst nicht drauf bin, dann ist das Foto nichts wert. Darf natürlich auch nicht mit Doppelkinn sein. Aber es gibt ja Fotoshop, kann man noch was machen am Rechner!

(Macht ein Foto von sich mit dem selfiestick)

Geht es euch nicht auch so, wenn Bilder gezeigt werden, dann guckt man erstmal, ob man selber mit drauf ist..., erst dann wird es interessant.

So erging es auch einem Iren. Joseph Griffin heißt er, es gibt ein kleines Filmchen von ihm im Netz, millionenfach angeklickt: Er hatte sich eine neue Kamera gekauft. Er war auf Weltreise gegangen und wollte einmal in seinem Leben nach Las Vegas. Aber er hatte das mit der Selfieeinstelung nicht gepeilt, er hatte alles vertauscht. Er kam heim, zeigte seinem Sohn den Film und hatte 5 min. nur Joseph Griffin auf dem Schirm. Man sah nur ihn, nur sein Gesicht und hörte wie er kommentierte: Jetzt sehen wir diese Spielhalle, die künstliche Pyramide usw., Las Vegas ist wunderschön... Nur in einer Szene relativ am Ende des Films ist es anders, da will er einmal sich selbst auf den Film bringen. Er schaltet auf die vermeintliche Selfieeinstellung und endlich sieht man etwas von Las Vegas...
Nun, liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden, worum geht es mir?

Es geht mir darum, wie wir auf die Welt schauen, auf uns und auf Gott. Ich glaube, es ist entscheidend für unser Leben, wie wir unsere Kamera einstellen, unsere Wahrnehmung, was wir in den Blick nehmen. Es ist entscheidend, was wir sehen, aber auch wie wir es sehen.
Es gibt da ja Leute, die haben immer nur sich selbst auf den Schirm.
Es gibt die schlimmen Egoisten, die nur sich selbst sehen. Weil sie es sich leisten können oder weil sie so berauscht sind an ihrem Erfolg, an ihrem schönen Spiegelbild. Morgens im Spiegel: Ah, wunderbar, ich! Die mögen wir natürlich alle nicht, wir kennen ja genug von dieser Sorte.
Dann gibt es die anderen, die es nicht so leicht mit sich haben, die aber auch ständig nur sich selber sehen.
Manche sind auch so empfindlich, dass sie immer nur ihre Verletzungen sehen. Ich bin ein Opfer, keiner mag mich, ich genüge einfach nicht, den anderen nicht aber auch mir nicht. Die richten sich dann vielleicht sogar in ihrer Opferrolle ein. Jedenfalls haben sie es schwer mit sich selbst.
Morgens schauen die in den Spiegel und denken: oh Mann, du siehst aber wieder ... aus, aber ok, ich wasch dich trotzdem.
(Heute morgen auch: Muss ich dahin gehen mit diesem Gesicht? Ja lieber Thorsten, du bist der Pfarrer und heute ist Konfirmation!)

Bei der Gruppe dazwischen, zu der wohl die meisten von uns gehören, da schwankt es hin und her: Wenn Du Erfolg hast, dann bist du oben auf, dann bist du eine echt coole Socke, dann hast du es in der Hand. Wenn dann aber eine Phase kommt, in der du es so richtig vergeigst, dann brichst du in dir zusammen und wirst depressiv. Das Leben ist dann eben ein einziges Auf und Ab, ein Zick-Zack durch die Zustände.
Also, das ist das Problem, wenn Du dauernd mit dem Selfiestick durch dein Leben rennst, wenn du dauernd nur dich selbst auf dem Schirm hast, wirst du hoch- und runter katapultiert werden...

Nur, es ist eben nicht leicht, das wiederum bei sich zu ändern: Nimm dich nicht so ernst, sagst du dir, schau nicht ständig auf dich, das hilft auch nicht viel! Am Ende merkst du aber immer, man nimmt sich immer selber mit; so schnell wird man sich nicht los.
Wenn Du versuchst, deine Fehler, dein Scheitern abzustreifen, wenn du versuchst beim nächsten Mal alles besser zu machen, perfekt zu machen, dann wir dich alles wieder ganz schnell einholen. Du ziehst dich nicht an den eigenen Haaren aus dem Dreck!
Und wenn du willst, dass dein Leben nur aus Erfolg besteht, dann musst du dich halt selber opfern, dann geht dir die Puste aus. Dauerhaft die Hürden zu nehmen, die Latte heute zu überspringen, über die du gestern drüber gekommen bist, die aber jetzt noch höher liegt, das ist schwer.
Nochmal: Das ist die Selfieeinstellung des Lebens.

Hier aber die Alternative:
Was du auch machen kannst, ist das Andere: du schaust gar nicht mehr auf dich, sondern auf die Anderen. Vielleicht fängst du damit an, es den Anderen allen recht zu machen, damit du dich gut fühlst. „Was sollen denn die Leute sagen“, ist dann das Denken.
Oder die Fußabtretermentalität: Ich habe das alles verdient, ich muss mich noch mehr anpassen... usw. Das wäre auch eine Variante. Es gibt ja auch so Leute, die immer nur mitlaufen. Leute, die immer nur Echo sind, nie eigene Stimme.
Nun, was wir aber gelernt haben, was wir versucht haben zu erspüren ist etwas Anderes. Wir haben Jesus zugehört:
Doppelgebot der Liebe!
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt... Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Mt. 22,37-40)

Jesus sagt damit geh aus dem Selfiemodus raus! Hör auf, dich dauernd selbst zu bespiegeln. Hör auf, auf die Anderen zu schauen und deinen Selbstwert aus ihren Urteilen zu beziehen, sondern wende dich Gott zu. Also versuche nicht dich selbst zu verändern, sondern sei erst mal einfach da vor Gott. Mit Worten von gestern: Suche Gott, die Nähe Gottes, die Gegenwart. Atme erst einmal durch, spüre, du stehst mit beiden Beinen auf dem Boden. Im Hier und Jetzt bin ich da und Gott ist da und ich stehe aufrecht, weil mein aufrechter Gang gewollt ist. Dasein im Gebet, in der Stille, in deiner Gemeinde, im Gottesdienst. Wir leben in diesem Geheimnis, das uns stark macht! Du bist ein Kind Gottes, das haben wir in der Taufe für jeden von Euch gefeiert. Den aufrechten Gang, die Würde, ein Sohn oder eine Tochter Gottes zu sein. Und diese Würde ist unantastbar (GG, Art.1).
Versteht ihr, die Kirche, die Gemeinde, der Gottesdienst ist nicht für moralische Belehrungen da: Du sollst das machen oder das andere sein lassen usw. Die Kirche, eure Kirche hier, unsere Gemeinde ist der Ort, an dem wir stark werden. Weil wir uns das sagen lassen: Du bist ein geliebter Sohn, eine geliebte Tochter Gottes. Wie richtet das auf, wie stark macht dieses Bewusstsein?
Also, wenn es Dir schlecht geht, wenn Du schwere Entscheidungen zu treffen hast, wenn Du niedergeschlagen bist, dann suche die Nähe Gottes, renne hier in Deine Kirche und lass Dich aufrichten!
Also das heißt: Bevor wir uns auf dem Schirm haben müssen oder die anderen, hat Gott uns auf dem Schirm. Lerne darauf zu Vertrauen. Das ist es, was deinem Leben Rückgrat gibt, was dich mit offenem Visier, im aufrechten Gang – mit Wort und Tat – leben lässt.
Was ihr heute tut und an Euch geschehen lasst, ist genau das. Ihr beugt euren Kopf zur Einsegnung, ihr geht in die Knie – nicht vor Menschen, nicht vor euch selbst, sondern vor der Kraft, die euch das Leben geschenkt hat, vor dem Gott der Liebe, den ihr durch Jesus reden hört. Nie, sollt ihr in die Knie gehen, vor einem anderen Menschen, das ist nicht eure Bestimmung!
Nie sollt ihr in die Knie gehen durch die Last, die Ihr Euch selber sein könnt. In die Knie dürfen wir vor Gott gehen: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele, deinem ganzen Gemüt, mit all deinen Kräften.
Wir feiern in diesem Jahr 500 Jahre Reformation: Wir feiern, dass da ein Mensch nur vor Gott in die Knie gegangen ist, dann aber für die Menschen und vor der Welt einen festen Stand einnehmen konnte: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.... Das soll Martin Luther auf dem Reichstag 1521 vor Kaiser und Königen gesagt haben.
...
Also, noch einmal: die Reihenfolge ist wichtig: Erst einmal Gott auf den Schirm kriegen, es sehen lernen, wahrnehmen, er hat mich auf dem Schirm, dann kann ich auch die anderen auf den Schirm bringen, mich ihnen zuwenden und sogar auch mir selbst. Ich kann mich dann auch lieben lernen. Ich darf mich lieben, ich kann mir verzeihen, weil ich aus einer Würde lebe, die Gott mir schenkt. Wir vertauschen das so leicht und meinen wir müssten unser Würde begründen, wir müssten rechtfertigen, dass wir leben!

Wisst ihr, ihr seid ganz wunderbare Menschen, nochmal, einige von Euch hab ich auch mal auf dem Arm halten dürfen bei der Taufe und das bewegt mich an diesem Tag besonders. In der Konfirmandenstunde habe ich euch natürlich auch immer wieder auf den Arm genommen, aber im anderen Sinne. Was wunderbar war, war, dass wir einander in dieser zeit auf den Schirm gekriegt haben. Als Gruppe, als Gemeinschaft aus ganz einzigartigen und eigenartigen Menschen. Da war Freundlichkeit, Vertrauen und Zuwendung leitend, aber auch Streit, Auseinandersetzung und Zusammensetzung und Vergebung nötig. Immer aber, haben wir alle aufs Bild gepasst. Soviele Bilder habe ich in der selfieeinstellung gemacht, ich war auch mit drauf unten am Rand – leider schon mit dünnen Haar, mit meiner eigenartigen spitzen Nase. Neben so schönen jungen Menschen habe ich als alter S... auch draufgepasst und das war wunderbar.

(Macht ein Foto mit Selfiestick mit der gemeinde im Hintergrund)

Von Gott her, also, passen wir eben alle aufs Bild. Wir können uns nehmen, mitnehmen, so wie wir sind. Wir können mit uns Frieden schließen und ein Teil der Gemeinschaft sein.

(Noch ein Selfiestickbild wird geschossen.)

Ach übrigens, habe ich schon gesagt, dass Ihr mit Abstand die beste Konfirmandengruppe gewesen seid, die ich –
im vergangenen Jahr hatte!??

AMEN

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